Die Arbeit an der Orgel in Ollheim, St. Martinus ermöglichte es, sich
mit der bis vor kurzem anonymen Orgel genauer zu befassen. Von dem
Instrument war lediglich bekannt, dass es wohl aus dem 1803 aufgelösten
benachbarten Frauenkloster „Schillingscapellen“ (heute Capellen bei
Dünstekoven) stammt. Die Gemeinde in Ollheim erwarb die Orgel zwischen
1806 und 1842 für 200fl. 1917 wurde die Orgel dann in die neu erbaute
Kirche umgestellt.
1964 wurde das Instrument von unserer Werkstatt
überholt und repariert und um ein selbständiges Pedal (zuvor angehängt)
mit Subbass 16' erweitert. Die Orgel erhielt einen neuen Spieltisch
unter Übernahme der alten Klaviatur. Damals befasste man sich nicht
weiter mit der möglichen Herkunft. Der zuständige Sachverständige Hans
Hulverscheidt schätzte als Entstehungszeit lediglich „die Jahre 1760 –
1780“.
Aus Stilvergleichen und anhand des erhaltenen Pfeifenmaterials lässt
sich jedoch zweifellos belegen, dass die Orgel von dem prominenten
Orgelbauer des rheinischen Barock, Christian Ludwig König stammt. Das
Instrument für die Klosterkirche Capellen soll eine Stiftung der Kölner
Patrizierfamilie von Brackel zu Breitmar gewesen sein, aus Anlass der
Wahl von Maria Lambertina von Brackel (1705 – 1790) im Jahr 1767 zur
Äbtissin von Schillingscapellen. Lieferung und Aufbau der Orgel sollen
dann 1768 oder 1769 erfolgt sein.
Wenn nun das bisher anonyme Instrument von Ollheim dem zu seiner Zeit
berühmten Orgelbauer Christian Ludwig König zugewiesen werden kann,
darf das als kunst– und musikhistorische Sensation gewertet werden, dies
vor allem, weil nicht nur das ausgesprochen elegante Gehäuse, sondern
auch die Windlade, ein Großteil des Pfeifenwerks – einschließlich der
Prospektpfeifen (!) – und Teile der Mechanik (darunter die
Manualklaviatur) erhalten sind. Ausgangspunkt für die
Beschäftigung mit der Orgel war eine notwendig gewordene Reparatur im
Bereich der 1964 erneuerten Register Mixtur und Trompete. Daraus ergab
sich, nach dem Erkennen der Orgel als Instrument von Christan Ludwig
König, eine umfassende Bestandsaufnahme der historischen Substanz, aber
auch eine kritische Betrachtung der Veränderungen an der Orgel.
Besonders kostbar und sehr selten sind die originalen Prospektpfeifen
aus Zinn, die offenbar aufgrund der Situation von 1917 nicht wie damals
üblich abgegeben werden mussten, vermutlich, weil die Orgel noch
eingelagert und eben nicht aufgebaut war. Das Pfeifenwerk selbst wurde
umfassend restauriert und aufgearbeitet. Das bereits 1964 durch einen
Subbass 16' selbstständig gemachte Pedal wurde um das Register Octavbass
8' ergänzt; dessen Pfeifen sind im Pedalgehäuse sichtbar aufgestellt.
Die Manualwindlade der Orgel stellt das originale Kernstück der
Orgel dar. Sie blieb auch 1964 weitgehend erhalten. Die Pedallade von
1964 wurde erneuert. Die Spielanlage musste an die originale Klaviatur
angepasst und neu aufgebaut werden.
Ebenso haben wir die nicht erhaltene Windversorgung der Orgel neu
angelegt. Dabei haben wir versucht, eine möglichst platzsparende Lösung
zu finden: Der Gebläsemotor steht im Turmraum hinter dem Pedalwerk; in
diesen haben wir einen neuen Magazinbalg gestellt. Von ihm aus wird das
Pedal mit Wind versorgt; unter der Manuallade liegt ein Keilbalg, der
als Druckausgleich dient und zugleich für einen angenehm atmenden Wind
sorgt.Die 1768 von Christian Ludwig König gebaute Orgel stellt in
dem neoromanischen Kirchenraum von 1917 ein Solitär, ein besonderes
Ausstattungsstück und überragendes Musikinstrument dar, das eine
herausragende Bedeutung aufgrund seines Alters und der prominenten
Herkunft besitzt. Quelle: Orgelbau Klais, Bonn
Disposition für Interessierte:
Christian Ludwig König 1768, restauriert 2014, II/11, mech./mech.; Stimmtonhöhe 441 Hz / 15°C, Temperierung nach Bach-Kellner